Sonntag, 19. Juni 2016

Wolfgang Koschnick: Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr

Thema: Demokratie


Eine Neuerscheinung aus Allensbach


Die entwickelten Demokratien stecken in einer Fundamentalkrise, die letztlich zu ihrem Untergang führen wird. Wolfgang Koschnick macht deutlich, dass die in allen Demokratien herrschende politische Kaste mit eigenen Gewohnheiten, Ressourcen, Interessen und klarer Abgrenzung vom Rest der Bevölkerung nicht der Mehrheit der Bevölkerung dient, sondern außer sich selbst nur der verschwindend kleinen Minderheit der Reichen und Superreichen. Sie sind die willigen Helfer und Helfershelfer des Kapitals.

Aus dem einstigen Ideal ist ein Herrschaftssystem geworden, in dem eine besonders üble und unfähige Spezies von Berufspolitikern sich an den Schalthebeln der politischen Macht bequem eingerichtet hat, ihre eigenen und eigennützigen Interessen verfolgt und sich aus staatlichen Töpfen komfortabel versorgt.

Die entwickelten Demokratien der Endzeit sind eine gigantische Fehlkonstruktion, die laufend Krisen und Katastrophen erzeugt und nicht in der Lage ist, auch nur einfache Probleme pragmatisch und nachhaltig zu lösen. Ihre „Lösungen“ richten sich in stets wachsendem Maße gegen die eigene Bevölkerung.

Selbst für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass es den vereinten Anstrengungen der Politik in den entwickelten Demokratien gelingen sollte, die Vielzahl der Krisen noch einmal so weit unter Kontrolle zu bringen, dass die Demokratien nicht an die Wand gefahren werden, bleibt die Herrschaft von unfähigen und eigennützigen Berufspolitikern unangetastet. Und weil das so ist, kommt die nächste Strukturkrise noch sicherer als das Amen in der Kirche.

Dass dies überhaupt so lange möglich war, ist nur dem Umstand zu danken, dass die politisch Herrschenden sich an sehr stabilen und höchst leistungsfähigen Wirtschaftssystemen vergehen. Aber der Leistungsfähigkeit der arbeitenden und wirtschaftenden Menschen steht eine politische Kaste von nichtsnutzigen, unfähigen Schmarotzern gegenüber, die das stabile Produktions- und Wirtschaftssystem mit vereinten Kräften ruinieren.

In der Entwicklung praktisch aller demokratischen Systeme in der Phase ihres Niedergangs offenbart sich immer deutlicher ein Systemdefizit der Demokratien. Wenn Demokraten sich diesem Systemdefizit noch nicht einmal stellen, wird die Entwicklung erbarmungslos über sie hinwegrollen. Und dann werden die entwickelten Demokratien in den Abgrund stürzen, an dessen Rand sie heute längst stehen.


Zum Autor:
Wolfgang Koschnick ist Buchautor, Fachjournalist und Unternehmensberater. Er studierte Volkswirtschaft und Politikwissenschaft in Kiel, Houston (Texas) und Berlin und schloss als Diplom-Politologe ab. Als Journalist war er in den USA unter anderem für den Boston Globen, San Francisco Chronicle und zahlreiche andere Zeitungen und Zeitschriften tätig – später auch von Deutschland aus. Er war Leiter der Auslandsabteilung im Institut für Demoskopie Allensbach und Chefredakteur der Fachzeitschriften Horizont, ZV+ZV und Coppi. Er lebt in Allensbach am Bodensee.

Den Beitrag erhielt ich vom Autor und veröffentliche ihn gerne

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