Mittwoch, 21. Oktober 2015

US-Angriff auf Krankenhaus in Kundus war kein Unfall

Angriff auf das Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen in Kundus
Wir fordern eine unabhängige Untersuchung des Angriffs auf unser Krankenhaus in Kundus, Foto: Barbara Sigge/MSF

In der Nacht zum 3. Oktober 2015 wurde unser Krankenhaus in Kundus, Afghanistan, mehrmals von US-Flugzeugen bombardiert. Dabei wurden zwölf Mitarbeiter und zehn Patienten von Ärzte ohne Grenzen getötet. Mindestens 37 Menschen wurden verletzt. Die Bombardements stellen eine schwere Verletzung des Humanitären Völkerrechts dar.
Ärzte ohne Grenzen verurteilt sie aufs Schärfste und fordert die Staatengemeinschaft dazu auf, die durch die Genfer Konventionen geschaffene "Internationale Humanitäre Ermittlungskommission" (IHFFC) damit zu beauftragen, den Angriff zu untersuchen. Mit den Hashtags #Kundus und #IndependentInvestigation fordern wir die Öffentlichkeit auf, uns bei dieser Forderung zu unterstützen.
Wir bedanken uns bei allen, die sich zurzeit bereits mit uns solidarisch zeigen. Inzwischen wurden wir darüber informiert, dass die IHFFC aktiviert worden ist. Die Kommission wartet nun auf die Zustimung der Vereinigten Staaten und Afghanistans, um fortfahren zu können. Bitte unterstützen Sie unsere Petition und fordern Sie die USA und die Obama-Regierung dazu auf, der IHFFC-Untersuchung zuzustimmen.


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Ärzte ohne Grenzen:
US-Angriff auf Krankenhaus in Kundus war kein Unfall

Der General-Direktor von Ärzte ohne Grenzen (MSF), Christopher Stokes, hat gegenüber Journalisten betont, dass er nach dem aktuellen Stand davon ausgeht, dass der Angriff auf das Krankenhaus in Kundus absichtlich erfolgte. Dafür sprächen das Ausmaß und die Präzision der Angriffe. Wenn dies zutrifft, handelt es sich nach Völkerrechtsdefinition um ein explizites Kriegsverbrechen der USA.
    „Das Krankenhaus wurde wiederholt an der Eingangsseite sowie am Hinterausgang bombardiert und weitestgehend zerstört, obwohl wir die genauen Koordinaten an alle Konfliktparteien gegeben hatten. Das Ausmaß und die Präzision der Zerstörung des Krankenhauses deuten nicht auf einen Fehler hin.“
So Christopher Stokes, der Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen, gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Zudem führte er aus, dass der Angriff trotz verzweifelter Anrufe von MSF an die verantwortlichen NATO- und US-Militärstabsstellen über eine Stunde anhielt. Stokes forderte angesichts dieser Ungereimtheiten „eine umfassende und unabhängige Untersuchung, denn alle bisherigen Hinweise deuten auf einen gravierenden Bruch des internationalen Völkerrechts und damit auf ein Kriegsverbrechen hin.“

Der einstündige Angriff durch das auch „Kanonenboot“ genannte US-Kampfflugzeug Lockheed AC-130 auf das MSF-Krankenhaus in Kundus hatte am 3. Oktober über 22 Personen getötet, davon 12 Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen und zehn Patienten.

Nach dem Angriff hatte sich US-Präsident Barack Obama persönlich für den “versehentlichen Angriff” entschuldigt. Auffällig war, wie der offizielle US-Diskurs zu den Verantwortlichkeiten für den Angriff innerhalb weniger Tage vier verschiedene Versionen wiedergab. Zunächst hieß es „wir wissen nicht genau, was vorgefallen ist“, dann erfolgte das Eingeständnis, dass US-Spezialeinheiten die Luftunterstützung für Kundus angefordert hatten und endete vorläufig mit der Behauptung, dass die afghanische Regierung die alleinige Verantwortung für die Zerstörung des Krankenhauses tragen würde.

Schlussendlich hatte John Campbell, Oberbefehlshaber der US-NATO-Mission in Afghanistan das Schlusswort und legte dar, dass der Luftschlag von afghanischer Regierungsseite angefragt worden war, dass aber in der Endkonsequenz „US-Kräfte“ die Luftunterstützung eingeforderten und koordinierten.

Die Vorsitzende von MSF, Joanne Liu, hat in Konsequenz der Ereignisse die Einberufung einer „Humanitären Untersuchungskommission“ gefordert. Ein solches Instrument ist Teil der Genfer-Konvention und dient der Untersuchung von militärischen Angriffen auf zivile Ziele. MSF hat bereits Briefe an alle 76 Staaten geschickt, die seit 1991 das entsprechende Protokoll für die Einsetzung einer solchen Kommission ratifiziert haben.

Allerdings haben weder Afghanistan noch die USA dieses Zusatzprotokoll zu den Genfer-Konventionen bisher unterzeichnet. Angesichts dieser Umstände haben sich die Ärzte ohne Grenze dazu entschieden eine Petition ins Leben zu rufen, die eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls zum Ziel hat.

Zudem wurde kürzlich bekannt, dass US-amerikanische Analysten für “Spezialoperation” wenige Tage vor dem Angriff das Krankenhaus in Kundus eingehend untersucht haben, da sie glaubten, dass ein pakistanischer Agent von dort aus militärische Aktivitäten der Taliban koordinierte.

MSF verneint diese Vorwürfe vehement. Geschäftsführer Stokes betonte gegenüber Pressevertretern, dass sich nach Informationen seiner Organisation zum Zeitpunkt des US-Bombardements keine bewaffneten Taliban auf dem Grundstück des Krankenhauses befanden:
    „Was wir von unseren Mitarbeitern und Wachpersonal wissen, gab es eine sehr strenge und gute Kontrolle über das was sich auf dem Grundstück des Krankenhauses abspielte. Und in den Stunden vor dem Luftangriff auf unsere Krankenhaus gab es auch keine Berichte über Kämpfe in Nähe.“

Quelle: RT-Deutsch
» der Kommentar des Blogschreibers «
Interessanterweise hat zu diesem Vorfall keiner der Mächte Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Saudi-Arabien und Katar in einer Erklärung ihre „Besorgnis“ zum Ausdruck gebracht, vorgeblich über den Tod von Zivilisten, wie es noch beim russischen Angriff mit Cruise Missiles auf IS-Stellungen geschah.

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