Samstag, 1. August 2015

Putin: "Europa sollte mehr Unabhängigkeit und Souveränität zeigen"

Thema: Interview

RT-Deutsch
Putin richtet sich in Interview an Europäer:
„Europa sollte mehr Unabhängigkeit und Souveränität zeigen“

Die Staaten Europas sollten sich, was ihre eigenen nationalen Interessen anbelangt, weniger militärischer Blockbildung und den USA verpflichtet fühlen, sagte der russische Präsident Wladimir Putin in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehsender RTS. Putin sprach auch über den FIFA-Skandal und islamistischen Terrorismus. Von der Unterstützung durch europäische Rechtspopulisten zeigt sich Putin indes „überrascht“ und distanzierte sich von diesen mit der Erläuterung, dass dies weniger mit ihm selbst zu tun habe, als vielmehr mit der Tatsache, dass die USA, anders als Russland, in europäischen Ländern politisch intervenieren.

Russlands Präsident Wladimir Putin. Quelle: RIA
„Es wäre großartig zu sehen, wenn Europa mehr Unabhängigkeit und Souveränität zeigt sowie die Fähigkeit für ihre eigenen nationalen Interessen aufzustehen – die Interessen für ihre Menschen und Staaten“, sagte Putin in dem RTS-Interview, das am Montag veröffentlicht wurde.

Der russische Präsident fügte hinzu, er „hoffe“, ein weiterer Krieg in Europa stehe nicht zur Debatte und betonte, ein gewisses Maß an Souveränität wird zweifelsfrei abgegeben, wenn ein Land „irgendeiner militärisch-politischen Organisation oder einem militärisch-politischen Block beitritt.“ Mit Bezug auf den NATO-Rückzug Frankreichs in den 1960er-Jahren unter Charles de Gaulle stellte Putin fest, dass dies Frankreich ein höheres Maß an Souveränität erlaubt hatte, als wenn das Land in dieser Zeit vollwertiges Mitglied der Organisation gewesen wäre. 2009 kehrte Frankreich jedoch vollständig in das militärische Bündnis zurück.

Der russische Präsident betonte:

„Es ist nicht unsere Aufgabe die Außenpolitik europäischer Länder auszuwerten. Aber man muss zugeben, dass es nicht besonders interessant für uns ist, wenn wir unsere Beziehungen mit unseren europäischen Partnern in Washington diskutieren müssen.“

Auch erwähnte Putin, dass die USA „seit langer Zeit eine imperiale Politik verfolgen“ und fügte dieser Einschätzung auch Zitate von US-amerikanischen Analysten hinzu, die „der Meinung sind, dass diese imperiale Ausrichtung den Vereinigten Staaten selbst schade.“

Ebenfalls betonte der Kreml-Chef die russische Haltung zur US-Außenpolitik „hat nichts mit Anti-Amerikanismus zu tun. Die Russen verspüren Respekt und große Liebe für die USA, insbesondere für das US-amerikanische Volk.“


In dem Interview wurde auch Russlands sehr frühzeitiger Kampf gegen islamistischen Terrorismus angesprochen und das Ausbleiben westlicher Unterstützung in dieser Zeit. Putin sagte, die europäischen Regierungen hatten reichlich vorhandene Belege terroristischer Aktivität von Al-Kaida-Ablegern, die im russischen Nordkaukasus kämpften, ignoriert.

„Als ich meine Amtskollegen, einschließlich der Europäer fragte: ‚Sie sehen was passiert?‘ antworteten diese für gewöhnlich: ‚Ja, das tun wir, aber aufgrund verschiedener innerstaatlicher und internationaler Umstände können wir Sie nicht unterstützen.‘ Ich würde dazu sagen: ‚Wenn Sie uns nicht unterstützen können, dann behindern Sie wenigstens nicht unsere Anstrengungen.“

Auch lesen: „Er ist nicht der Teufel, zu dem wir ihn machen“: CNN-Gründer Schonfeld kritisiert Medienhetze gegen Putin
Jedoch fügte Putin auch hinzu, dass sich diese Situation substantiell geändert habe: „Europa und die USA haben die tatsächlichen Gefahren extremer Erscheinungsformen von Radikalismus begriffen und sind dem Kampf gegen diese beigetreten. Wie der russische Volksmund so sagt: Besser spät als nie.“

Der russische Präsident sagte auch, er hoffe die Kooperation mit dem Westen werde künftig über diese gemeinsame Terrorismus-Abwehr hinaus gehen und zeigte sich zuversichtlich, dass die Situation in der Ukraine, genauso wie verschiedene wirtschaftliche Fragen, bald gelöst werden können:

„Wir werden uns für Dialog engagieren und bei einer Lösung mitarbeiten, die für alle akzeptabel ist.“

Putin kritisierte die US-Regierung, die für sich selbst das Recht in Anspruch nehme, andere Länder auf der ganzen Welt unter Druck zu setzen und dabei der Leitlinie folge „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“ Jedoch sei es mit ausreichender Geduld immer noch möglich und nötig mit den US-Amerikanern zusammenzuarbeiten um globale Probleme zu lösen. Dies zeigen unter anderem die jüngsten erfolgreichen internationalen Bemühungen mit dem Iran zu einem Abkommen über dessen Atom-Programm zu kommen.

Die Fragesteller des Schweizer Senders RTS baten auch um eine Stellungnahme bezüglich einer „ironischen“ Wendung in der europäischen Politik, die dazu führte, dass rechtsgerichtete politische Parteien an Einfluss gewinnen und scheinbar Putin wohlgesonnener seien als linke Politiker. Der russische Präsident betonte, diese Entwicklung habe ihren Ursprung in einer ärgerlichen Beeinflussung Washingtons der innerpolitischen Angelegenheiten anderer Länder.

Putin widersprach im Gespräch der Ansicht, dass die für ihn „überraschende“ Befürwortung seiner Politik und seiner Ansichten, etwa durch Marine Le Pen (Front National) oder der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (UDC), irgendetwas mit ihm persönlich zu tun habe. Eher handele es sich dabei um eine Art „tektonische Verschiebung des öffentlichen Bewusstseins in Europa“ dahingehend, dass der Schutz nationaler Interessen an Bedeutung gewinnt. Die Kritik an den ausländischen [US-amerikanischen] politischen Interventionen nehme in der Bevölkerung zu, was gleichsam Sympathien für Russland stärkt.

Eine ganze Reihe von Problemen, die Europa nun hat, einschließlich der ungelösten Frage des Umgangs mit Flüchtlingen, wie etwa aus dem vom Krieg geschundenen Libyen, haben ihren Ursprung in „Entscheidungen, die jenseits des Atlantiks“ getroffen wurden. Tatsache sei, dass Europa nun den Preis für Entscheidungen bezahlt, die es nicht einmal selbst getroffen hat.

Nach einigen Fragen zum FIFA-Korruptionsskandal sagte Putin, er glaube nicht, dass diese Sache etwas mit den Handlungen von FIFA-Chef Sepp Blatter zu tun hat und deutete an, er halte die Anschuldigungen für politisch motiviert.

„Wir kennen alle die Situation, der sich Herr Blatter nun ausgesetzt sieht. Ich will hier nicht ins Detail gehen, aber ich glaube kein einziges Wort, das ihn persönlich mit Korruption in Verbindung bringt.“

Schon wenige Tage zuvor betonte der russische Staatschef bei der Auslosung der WM-Qualifikationsgruppen in St. Petersburg, Blatter habe die „volle Unterstützung“ Russlands bei der Ausrichtung der Fussball-Weltmeisterschaft 2018.

Auf die konkrete Frage, ob die Untersuchungen gegen Blatter möglicherweise damit zu tun haben, dass die USA und ihr Hauptverbündeter Großbritannien bei der Vergabe der WM 2018 und 2022 leer ausgingen, antwortete Putin:

„So wie dieser Kampf gegen Korruption aussieht, würde es mich wundern, wenn dieser nicht in einer Verbindung zu der WM-Vergabe für 2018 und 2022 steht. Wenn jemand verdächtigt wird ein Verbrechen begangenen zu haben, dann werden die Beweise gesammelt und einem Staatsanwalt des Landes übergeben, in dem diese Person lebt. Aber man geht nicht durch die Welt und nimmt Individuen fest, wie es einem gefällt.“

Putin lobte „Menschen wie Blatter“ – die Funktionäre von internationalen Sportverbänden und des Komitees der Olympischen Spiele – dafür, dass sie Nationen aus der ganzen Welt zusammen bringen und die Art und Weise verbessern, wie diese miteinander umgehen:

„Wenn es jemanden gibt, der den Nobelpreis verdient, dann sind es diese Menschen.“



Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen

Der Kommentar erscheint manchmal erst nach Freigabe