Samstag, 9. August 2014

Gasstreit: Man soll in Bezug auf die Schulden den Tag nicht vor dem Abend loben

Thema: Ukraine
STIMME RUSSLANDS
Der EU-Energiekommissar Günther Oettinger beabsichtigt Garantien der störungsfreien Energieversorgung für die Ukraine zu erlangen. Er erzählte den deutschen Massenmedien, dass er am 29. August die russische Hauptstadt besuchen wird, wo er die ukrainische Frage mit dem Energieminister Alexander Nowak und dem Gazprom-Vorstandsvorsitzenden Alexej Miller besprechen wird.

Oettinger wird, wie er sagte, den Seiten vorschlagen, sich über zeitweilige Preise der Erdgaslieferung zu einigen, bis die Differenzen wegen der Forderungen der russischen Seite, den Preis der Lieferungen wesentlich zu erhöhen, endgültig beseitigt sind.

Der EU-Kommissar versteht unter den Differenzen die gegenseitigen Klagen von Naftogas und Gazprom, die im Stockholmer Schiedsgericht eingereicht wurden. Dieser Prozess kann nach Ansicht von Fachleuten mindestens ein Jahr dauern. „Die Ukraine wird viel früher wesentlich mehr Gas brauchen“, sagte der Finanzanalytiker Nikolaj Podlewskich:
    „Wenn das Stockholmer Schiedsgericht keine Möglichkeit hat auf Russland einzuwirken, dann wird unsere Seite eine wesentlich stärkere Verhandlungsposition haben. Diese Verhandlungen bekommen im Zusammenhang mit dem Herannahen der Kälte eine ganz neue Schattierung. Die Verhandlungen wurden für Ende August geplant – dann beginnt schon der Herbst. Dementsprechend wird der Erdgasverbrauch steigen.“
Kiew vergaß chronisch die Lieferung des russischen Erdgases zu bezahlen. Letzten Endes schuldete es Gazprom fünf Milliarden Dollar. Die russische Seite stellt Naftogas entsprechend dem Vertrag am 16. Juni auf die Vorzahlung um. Die Ukraine erhält im Ergebnis von Gazprom nichts – genau so viel wie sie zahlt. Das Gas wird aus Russland über die Ukraine nur als Transitware für Europa geliefert. Kiew kauft das russische Gas vorläufig, offenbar um Ärger zu schaffen, als Umsteuerung aus Europa. Und das zu dem gleichen Preis, der auch von Moskau angeboten wurde – 380 Dollar je 1.000 Kubikmeter. Es sei gesagt, dass Gazprom begründete Ansprüche an ein solches Schema der virtuellen Umsteuerung hat – dieses Schema ist juristisch ungesetzlich.

Aber auch die Umsteuerung wird die Ukraine vor dem Winter, der schon nicht so weit entfernt ist, kaum retten: Europa kann nicht das Erdgas in der für die ukrainische Wirtschaft erforderlichen Menge liefern. „Die aktiven Aufrufe der Kiewer Behörden an die Betriebe und Einwohner der Städte zum harten Sparregime überzugehen bleiben vorläufig unbeantwortet“, sagte der Politologe Dmitri Alexandrow:
    „Wenn man sich die Buchführung von Naftogas anschaut, dann sieht man, dass sich der innere Verbrauch im ersten Halbjahr nicht verringerte. Wenn man von jenen Schätzvolumen der Vorräte, die es gibt, und den Volumen der Reverslieferungen aus Polen (vielleicht werden sie noch aus Ungarn wieder beginnen) ausgeht, dann reicht dieses ganze Erdgas bis zum Dezember im Prinzip aus. Danach wird es das Erdgas physisch einfach nicht geben. Wenn auch die Slowakei sich anschließt, dann wird das helfen noch einige Monate auszuhalten – aber danach kommt einfach das Ende. Das heißt, dass man gezwungen sein wird, das Problem so oder so zu lösen.“
Vor einigen Tagen hörte man aus Washington völlig unerwartete Kommentare. Den USA, die versprochen haben die Ukraine und Europa mit ihrem Schiefergas zu überschwemmen, gingen plötzlich die Augen auf. „Es stellte sich heraus, dass die Ukraine jährlich 50 Milliarden Kubikmeter des blauen Treibstoffes verbraucht, dabei bilden die russischen Lieferungen die Hälfte“ – diese Entdeckung machte die Stellvertreterin des US-Außenministers für die Energie-Diplomatie, Robin Dannigan. Sie kam zum Schluss, dass es vorkommen könnte, dass die Ukraine ohne diese Lieferungen den kommenden Winter nicht überleben werde. Wenn sogar die Hauptauftraggeber der ukrainischen Vorstellung ihren Ton änderten, dann wird auch Kiew offenbar gezwungen sein, eine Vereinbarung zu treffen.

Was die EU betrifft, so ist sie ausschließlich um die Gasversorgung ihrer Mitgliedsländer besorgt. Also kann bei Oettingers Verhandlungen in Moskau der Vorschlag gemacht werden, eine maximal mögliche Menge des russischen für Europa bestimmten Transitgases über Weißrussland umzulenken und sogar die Nord Stream-Pipelien zu füllen. Brüssel versteht ja sehr gut: Wenn der Ukraine das Gas nicht ausreicht, dann wird Kiew beginnen, das Gas aus der Transitleitung skrupellos zu entnehmen.

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