Mittwoch, 18. Dezember 2013

EU-Anwalt kippt EU-Vorschrift zu Vorratsdatenspeicherung

Thema: Vorratsdatenspeicherung

Verfahren vor EuGH: Eingriff in die Privatsphäre

Brüssel. Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) stellt in seinen Urteilsempfehlungen fest: "Die EU-Vorschrift zur Sammlung von Telekomdaten auf Vorrat verstößt gegen die europäischen Grundrechte."


Emblem des EuGH Grafik: Commons
Damit hängt die Absicht der Großen Koalition in Berlin juristisch in der Luft, die umstrittene Vorratsdatenspeicherung in Deutschland wieder einzuführen.

Im gemeinsamen Koalitionsvertrag heißt es nämlich:
    "Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen. (...) Dabei soll ein Zugriff auf die gespeicherten Daten nur bei schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben erfolgen. Die Speicherung der deutschen Telekommunikationsverbindungsdaten, die abgerufen und genutzt werden sollen, haben die Telekommunikationsunternehmen auf Servern in Deutschland vorzunehmen. Auf EU-Ebene werden wir auf eine Verkürzung der Speicherfrist auf drei Monate hinwirken."

Das EU-Gesetz von 2006 („Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten") verpflichtet die Telekomanbieter die Verbindungsdaten der Kundschaft bis zu zwei Jahre lang aufzubewahren, damit Polizei und Staatsanwaltschaften darauf zurückgreifen können. An dieser gesetzlichen Vorgabe lässt Generalanwalt Pedro Cruz Villalon kein gutes Haar. Sie ermögliche "eine ebenso zuverlässige wie erschöpfende Kartografie" der Privatsphäre bis zu hin zu einem „kompletten und genauen Abbild der privaten Identität.

Nun haben es auch die zukünftigen Berliner Koalitionäre, die sich zur Vorratsdatenspeicherung nach EU-Vorgabe bekannt haben, schriftlich aus Luxemburg: Die Zwangsverpflichtung von Telekom-Anbietern, bis zu zwei Jahre lang alle Daten von Telefon- und Internetverbindungen zu sammeln, nicht auf Verdacht, sondern auf Vorrat - diese Verpflichtung ist nicht rechtens. Sie läuft den europäischen Grundrechten zuwider. Denn sie lässt jede vernünftige Abwägung zwischen dem Interesse an Sicherheit und dem Anspruch auf Schutz des Privat-Lebens vermissen.

Schon die ersten Reaktionen zeigen freilich, dass mit den eindeutigen Worten des Luxemburger Gerichtsgutachters noch keineswegs die große Klarheit ausgebrochen ist. Christ- und Sozialdemokraten geben sich ungerührt und verweisen darauf, dass sie doch selber Änderungen in Aussicht gestellt hätten. Die EU-Kommission erklärt Wir arbeiten dran, doch gut Ding will Weile haben. Und alle sind heimlich froh, dass die Empfehlung des Generalanwalts nicht das Urteil ist und bis zu demselben noch etwas Zeit bleibt.

Auch jetzt schon lässt sich indes feststellen: Die Argumente des Gutachters gegen die EU-Richtlinie sind derartig stichhaltig, dass es mit ein paar Nachbesserungen an den Rändern des Textes nicht getan ist. Es ist an den Befürwortern der Vorratshaltung von Telekomdaten nachzuweisen, dass und wie sie bewerkstelligt werden kann, ohne dass der Schutz der Privatsphäre einfach für unbeachtlich erklärt wird. Der Rahmen der europäischen Grundrechte ist enger, als die schwarz-roten Koalitionsarchitekten wahrhaben mochten. Gut so.
(Quelle: Artikel und Kommentar WESTFALENPOST) vom 13.12.2013

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